Bicicletta da Corsa - Ventisei

pagina #24 www.biciclettadacorsa.de einem Restaurant. Doch der erste Eindruck trügt. „Hier gibt es echte persische Küche“, versichert mir Behzad, der Vater meiner Freundin. Tradi ti oneller ginge es nicht, sagt er. „Wer auf iranischen Straßen unterwegs ist, der weiß gutes Essen zu schätzen“, erklärt er mir, während wir uns setzen. Und behält recht. Kaum angekommen, wird uns ein 3 Gänge Menü aufge ti scht, das opulenter kaum sein könnte. Alleine die Vorspeise würde in Europa wohl den Tagesbedarf eines ganzen Pro Teams decken. Es gibt Ash, eine Art dicke Bohnensuppe mit jeder Menge Knoblauch, Minze, Öl und Joghurt, die mit einem Berg Naan, dem tradi ti onellen Weißbrot serviert wird. Darauf folgt Dizi, ein Eintopf aus Schaf ­ fl eisch und Karto ff eln, den man in einem Tongefäß mit einemMörser zerstamp ft . Die Hauptspeise besteht aus Kebab mit Safran Reis und anstelle eines Diges ti fs gibt es einen Liter Dough, ein Joghurt Minze Trunk, der mit Kohlensäure versetzt wird. Die Alterna ti ven sind Pepsi ­ Cola oder Limo. Alkoholische Getränke sucht man in der islamischen Republik vergebens. Sie sind verboten – auch für Touristen. Zufrieden und mit gefühlten 5 Kilo mehr auf den Rip ­ pen, streiche ich mir über mein Rennradtrikot, das am Bauch jetzt deutlich spannt. Nicht vorstellbar, nach die ­ sem gehaltvollen Mi tt agsgelage auch nur noch einen Meter weiterzufahren. Wer vor den iranischen Bergen nicht kapituliert, der wird spätestens beim üppigen Essen die weiße Fahne schwenken. Aus der Sicht eines Radsportlers ist der Iran ein noch völlig unerschlossenes Land. Zwar sind die Haupt und Nebenstraßen der großen Städte aufgrund des massi ­ ven Verkehrsaufkommens und der teils wahnsinnigen Fahrweise der Iraner gänzlich für Radfahrer ungeeig ­ net, doch schon etwas außerhalb der Städte bietet sich dem Sportler ein wahrer Abenteuerspielplatz. Wem die Bergstraßen im Nordosten des Irans nicht genügen, der kann sich circa 1.000 Kilometer südlich im Zagros Gebirge austoben. Hier liegt, unweit der historischen Stadt Isfahan, das größte Gebirge des Landes, das vom majestätischen Gipfel des über 4.000 Meter hohen Zard Kuh gekrönt wird. Doch Vor ­ sicht: Wer hier mit dem Rad unterwegs sein möchte, sollte nicht nur über die geeignete Grundfitness ver ­ fügen, sondern auch über die richtige Bereifung. Wegen der Witterung können dort viele Straßen in desolatem Zustand sein und es finden sich immer wieder Abschnitte mit Schotterpisten. Nach fast zwei Wochen Abenteuer Roadtrip durch den Iran, möchte ich mich an meinem letzten Tag nochmal mit den Bergen des Nordens messen. Mein Ziel: das Tor des Elburs Gebirges, nördlich der auf 1.300 Metern Höhe gelegenen Millionenstadt Ka ­ radsch. Hier gibt es eine brachiale Passstraße durch die Sandsteinfelsen, gespickt mit Steilrampen und umsäumt von epischen Felspfeilern. Und schon der Blick auf die Karte meines Garmin Edge lässt vermu ­ ten, dass es hier nicht nur steil, sondern auch kalt wird. Auf 200 Kilometer Strecke kommen knapp 6.000 Höhenmeter. Brennende Waden und Schnapp ­ atmung sind bei diesen Pässen auch für ausdauer ­ starke Fahrer vorprogrammiert. Rastplätze oder Einkehrmöglichkeiten gibt es nicht, dafür aber zahl ­ reiche Blechschilder am Straßenrand, auf denen das Konterfei des „großen Führers“ oder die der gefalle ­ nen „Märtyrer“ des Irak Iranischen Krieges abgebil ­ det sind. Doch es ist weniger der moralische Beistand, den man auf diesen Straßen braucht, sondern vor allem Wasser und jede Menge Riegel und Gels.

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