Bicicletta da Corsa - Ventitré
pagina #16 www.biciclettadacorsa.de Am Flughafen Athen hat Agi als Erkennungszeichen einfach ein Laufrad in die Höhe gehalten. Einfach und smart denke ich, denn so wissen ich und Denis, ein Kollege aus Nizza, der in der gleichen Maschine war gleich, auf wen sie zusteuernmüssen. Als endlich das Laufrad, unser Gepäck und der Radkoffer von Denis in Agis altem Toyota Camry verstaut sind, machen wir uns auf den Weg von der Hauptstadt auf Griechen- lands größte Halbinsel. Mir wird bewusst, dass ich seit 2000 nicht mehr in Griechenland war und dass damals die Fahrt auf den Peloponnes ein Horrortrip von 6 Stunden in einem geliehen Kleinstwagen war, der dem Camry von Agi in Sachen Komfort aber noch was vorgemacht hätte. Gott sei Dank flossen in den Jahren nach der Krise viele Milliarden in die Infra- struktur, so dass fast jede Autobahn in Griechenland nicht älter als 4 oder 5 Jahre ist. Die Krise des Jahres 2010 hat Griechenland hart getroffen. Am Straßen- rand sind die Beweise zu sehen: Unvollendete Ge- bäude und Müll säumen die Autobahn, und es mangelt völlig an Annehmlichkeiten - wie Tankstellen. Alle rund 40 Kilometer gibt es eine Mautstation, um den gerade befahrenen, brandneuen Autobahnab- schnitt zu bezahlen. Auf dem Weg nach Sparta, im Süden des Peloponnes gelegen, merke ich zumeinemErstaunen, wie hügelig die Gegend ist. Griechenlandmag für seine Inseln und Badeorte berühmt sein, aber Agi belehrt mich, dass Griechenland das drittgebirgigste Land Europas nach Norwegen und Albanien ist. Das sind ja gute Voraus- setzungen für die nächsten Tage! In unserem Bed & Breakfast, etwas oberhalb von Sparta, treffen wir den Rest unserer Reisegruppe: Tom, den Partner von Agi bei Pedal Greece, Nassos, einen der Top Sportfotografen Griechenlands, Ruby, eine Journalistin aus den Niederlanden und ein paar sehr, sehr durchtrainierte Freunde von Agi und Tomaus Grie- chenlands Rennrad-Hobby-Szene. Beim Abendessen im Chromata, malerisch gelegen in den Hügeln über Mystras und einer Küche, die dem Ausblick in keiner Weise nachsteht, zeigt sich die Vielfalt unserer Gruppe: Tom ist Unternehmensberater mit Sitz in London, hat dort seine jetzige Frau, eine Griechin, kennengelernt und geheiratet und lebt mit Ihr nun seit zwei Jahren in Athen. Nassosmacht zwar unglaubliche Bilder, kann aber davon in Griechenland nicht leben. Er betreibt mit seinemBruder ein Parkhaus in der Nähe der Akropolis. Denis hat seinen Job als Lehrer gekündigt und arbei- tet jetzt als Redakteur bei Top Velo in Ventoux. Der Umzug dorthin war auch dem Mount Vetoux geschul- det, den er letztes Jahr 32-mal befahren hat. Und das in einemBatman Kostüm! Stolz zeigt er die Bilder von sich als „Batman de Provence“ – in Frankreich schein- bar ein Rennrad-Social Media Star. Unsere griechischen Begleiter sind alles Hobbyracer. Leider gäbe es in Griechenland ja kein richtiges Rennenmehr und ein Team schon gar nicht. Sportförderung und Sponsoring seien auf Null, Rennradvereine gäbe es kaumund bei den Rennen treffeman immer dieselben zwei, dreihundert Leute. Das Rennradfahren in Griechenland weder im Profi noch im Hobbybereich eine Rolle spielt, merken wir auch an den nächsten Tagen: Wir treffen keine anderen Radfahrer! Der nächste Tag beginnt mit einem Frühstück unter freiem Himmel. Die Orangen für den Saft pflücken wir einfach vom Baum, bevor wir uns kurz-kurz – am 3. November - auf den Weg Richtung Sparta machen, wo wir uns mit Stelios, Georgios, Vassilis und Nikos treffen werden, um auf eine Runde in die Parnons Bergkette nördlich von Sparta zu starten. Das Terrain kannman als „hügelig“ beschreiben. Sanfte Anstiege, malerische, teils verlassene Bergdörfer, Ruhe und Ein- samkeit. Quasi kein Verkehr und wenn doch mal ein Auto an uns vorbeifährt, winken uns die Lenker nett zu. Agi und Tom erweisen sich als sehr kompetente Reiseleiter: Die Runde passt, unser Guide Stelios kennt jede Ecke und das schönste Cafe mit der besten Aussicht und leckerem Kuchen, und kurz vor dem Ende der Runde, nach einem harten 8km Anstieg, empfangen uns die Beiden mit griechischen Vorspei- sen und Bier auf einem Aussichtpunkt über Mystras. So schön kann Radfahren sein! Da Agi und Tom aber auch die Griechische Kultur ver- mitteln wollen, machen wir am zweiten Tag zuerst einen Abstecher in die byzantinische Ruinenstadt. Das antike Mystras war einst blühende Stadt, mit
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