Bicicletta da Corsa - Diciannove
pagina #27 www.biciclettadacorsa.de Durchatmen. Sich beschenken lassen von der Schönheit der Land- schaft und von der Begeisterung der Zuschauer. Beides muss man ge- sehen und erlebt haben. Diese radsportverrückten, herzlichen Südafrikaner. Irgendwo zwischen Kilometer 35 und 40 sitzt ein Typ nackt auf einem Retro-Ergometer und feuert die Fahrer auf der Stelle pedalierend an. Vor den Farmen stehen Trauben von Feldarbeitern und winken den Vorbeihuschenden zu. Auch die Bewohner diverser Townships haben sich komplett an der Straße versammelt. Sie winken und singen. Kinder strecken den Sportlern die Hände zum Abklatschen entgegen, freuen sich über weggeworfene Trinkflaschen. Ihre Begeisterung überträgt sich auf die Karawane der kurbelnden Pedalritter, die allmählich wie im Rausch fahren. Was für ein Tag. Super Wetter, autofreie Straßen, die durch eine Ansammlung von Naturschönheiten führen, wie man sie auf der Welt nicht zweimal findet. Es fällt schwer, sich auf den Sport zu konzentrieren, ernsthaft zu bleiben. Und doch. Es ist ein Rennen. Mal sehen, was die Konkurrenz macht. Sieht gut aus. Keine Attacken. Am Chapman’s Peak Drive fällt die Entscheidung. Ich greife an. Ein 4F-Mann nach dem anderen muss meinem Tempo Tribut zollen. Um den Vorsprung auszubauen, muss ich Slalom fahren. Inzwischen über- hole ichmüde Starter der Gruppen 2F und 2G. Sind die nicht locker eine Stunde vor mir losgefahren? Nach drei Stunden ist der Badeort Camps Bay erreicht. Kilometer 95 oder so. Im Ge- fühl des sicheren Sieges fliege ich im Windschatten eines Tandems in Richtung Ziel beim Kapstädter WM-Stadion. Nach 3.18.16 Stunden ist es erreicht. Gut eine Minute nach mir kommt Stephan ins Ziel. Als Zwei- ter. Ein guter Fahrer, der am längsten mitgehalten und der, natürlich, ebenfalls an keiner der zahlreichen Verpflegungsstationen angehalten hat. Drei Stunden Rennen. Das geht mit zwei Trinkflaschen und vier Gels. Auch in Afrika. Noch schnell die Medaille in Empfang nehmen und dann ab in die Villa Koestner, unsere noble Herberge mit Blick auf den Tafelberg. Das Glück der Dusche wartet. Am nächsten Tag dann, beim Frühstück in der Jason Bakery, 185 Bree St, werden die Ergebnisse studiert. Der Gesamtsieger, eine Elite-Fahrer, ist in 2.37.30 Stunden zum Ziel geflogen. Toll. Der hatte auch freie Fahrt. Und wie es in der Gruppe 4F gelaufen? Mir platzt gleich das Hemd! Das kann doch wohl nicht wahr sein! Und doch. Das Netz kennt kein Pardon. Ich stehe nur auf dem zweiten Platz. Sieger: „Hulshof, Toine in 3.08.51“. Ich fass’ es nicht. Geschlagen von einemHolländer. Und dafür fliegt man 11 Stunden ans südliche Ende Afrikas, ans Kap der großen Enttäuschung. Gelohnt hat es sich trotzdem. Mehr als das. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen. « Kilometer 95 oder so 2.37.30 > 3.18.16 Foto: Sam Clark Foto: Kevin Sawyer Foto: Kevin Sawyer
RkJQdWJsaXNoZXIy Mzk0ODY=